Yaron Shamir Projects – 2025
Nightingale – Ballet , Anhaltisches Theater Dessau – 2025
Tanzt! Tanzt! Tanzt!
Choreographer, stage, costumes: Yaron Shamir.
Ballet Artistic Director: Stefano Giannetti.
Music: Sandrow M Nightingale.
Lighting design: Guido Petzold; Costume design: Christopher Melching; Photos: Claudia Heysel; Choreographic assistance: Simona Semararo; Dramaturgy: Yuri Colossale.
Dancers: Marcos Vinícius dos Anjos, Marc Balló y Cateura, Angelica Bistarelli, Victor Costa Santos, Cristiana Rauccio, Giulia Riccio, Simona Semeraro, Simona Villa.



The Israeli choreographer Yaron Shamir follows his artistic impulses and develops his own forms to express his personal and social messages through movement, dance and choreography. For him, movement is a way to represent himself and the reality around him without having to find words for it.
German : Der israelische Choreograf Yaron Shamir folgt seinen künstlerischen Impulsen und entwickelt eigene Formen, um seine persönlichen und sozialen Botschaften durch Bewegung, Tanz und Choreografie Ausdruck zu verleihen. Bewegung ist für ihn eine Möglichkeit, mit der er sich und die Realität um sich herum darstellen kann, ohne Worte dafür finden zu müssen.


















P.R / Review
Yaron Shamir: “Nightingale”
The second part of the evening focuses on clear contrasts in Goth style. In “Nightingale”, Israeli choreographer Yaron Shamir sends eight dancers into a space between battle and court. In the opening scene, three protagonists dressed in black and red sit enthroned like dogs on a chain in strong backlight, while a ballerina pirouettes on pointe in front. A tribunal. The threat is obvious and of course a confrontation soon ensues, which makes the delicate art disappear in favor of violent, expansive choreographies. The eight-person ensemble storms onto the stage from behind through a chain curtain. Devilish figures, fast and full of energy, sometimes in large groups, sometimes in small constellations. But again and again the delicate dancing creatures appear, who have to assert themselves against this red and black Mephistophelian wave, are carried by it, swarmed around and, yes, even desired. The little devils lose almost all their clothes and dance only in black tops and shorts towards the end. Hip-hop moves are also mixed into the movements.
Sandrow W. has created a dark wave soundtrack in which this struggle can find its place. At the end, a throne awaits the Mephistos, who will take it? Surprisingly, it is pointe dancing. It is not without reason that Nightingale refers to the Hunger Games trilogy, which is about resistance against a fascist regime. With the Iron Curtain and the double history of dictatorship in Dessau, the work draws an associative arc of oppression and resistance – and all without any shallow politicization. A powerful advance that leaves you wanting more in its 30 minutes.
der Pause geht es bei Yaron Shamirs „Nightingale“ in einer zugespitzteren Erzählweise und Bewegungsästhetik weiter. […] Macht, Religion und Militär – so sieht Shamir diese unheilige Dreifaltigkeit, gegen die dann Menschen anrennen. Über weite Strecken fast völlig entblößt und demonstrativ mit vollem Körpereinsatz.
Wenn sich gefügte Konstellationen aufzulösen beginnen, geht es vor Vorhängen aus Ketten auch recht zackig zu und es scheppert gleichsam akustisch und optisch. […] So wie der Titel seiner Arbeit – Nightingale also Nachtigall – für die Hoffnung steht, dass der Mut zum Widerstand nicht nachlässt. […]






Woher kam die Inspiration für dieses Stück?
Es begann, als ich die Einladung von Stefano erhielt, eine Choreografie für diesen Abend zu kreieren. Ich mag es immer, etwas zu erschaffen, das mit dem Ort, an dem ich arbeite, in Verbindung steht. Also begann ich mich zur Geschichte des Theaters und der Stadt Dessau zu belesen. Dabei habe erfahren, dass dieses Theater von Hitler während des Dritten Reichs kurz vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde. Es ist eine Bühne, die wortwörtlich als Machtbühne konzipiert wurde. Selbst nach dem Fall des Dritten Reichs und der Teilung Deutschlands war das Theater weiterhin ein starkes Symbol für die politische Propaganda der DDR. In Bezug auf die Zeit des Kalten Krieges kam mir der Begriff des „Eisernen Vorhangs“ in den Sinn, der zum Ausgangspunkt für mein visuellesKonzept wurde. Ich wollte Metall und Objekte verwenden, die diese Kälte symbolisieren, mit der Regierungen einfach Kriege beginnen und über das Schicksal der Bevölkerung entscheiden.
Es ist also ein Stück, das von Macht und Krieg spricht…
Viel mehr als das. Ich würde sagen, es ist ein Stück, das in erster Linie von Unterdrückung und Widerstand spricht. Natürlich zeigt sich diese Unterdrückung oft in Form von Krieg, ebenso wie der Widerstand oft nur durch den Krieg überwunden werden kann. Aber das Mittel an sich ist nicht der Fokus meiner Choreografie, sondern vielmehr die Kraft der Macht totalitärer Regimes gegen die Kraft der Hoffnung selbst in den schwierigsten Zeiten.
Wie hast du beschlossen, dies in deiner Choreografie darzustellen?
Durch einen Vogel.Vögel haben immer Hoffnung symbolisiert, sei es in religiösen Texten oder in der Kunst. Ich habe das Gefühl, dass unabhängig davon, wie schwer der Winter war, der erste Vogelgesang, den wir hören, in uns den Willen zu leben und zu überleben erneuert, als würde das Licht der Sonne in uns eindringen. Es lässt uns hoffen, dass bessere Tage kommen werden. Also erzählt meine Choreografie genau das: die Ankunft eines Vogels in einer brutalen und kalten Welt. Um genauer zu sein eine Nachtigall, daher der Titel dieser Choreografie, denn die Nachtigall ist ein Vogel der trotz seiner kleinen Größe eine gewaltige Stimme hat, und mit ihrem markanten Gesang auch nachts singt, was nur wenige Vögel tun.
Unabhängig davon, wie sehr Menschen unterdrückt werden, bleibt die Hoffnung als Antrieb bessere Tage bestehen. Es ist dieser Widerstand, der oft andere Menschen dazu inspiriert, ebenfalls den Mut zu fassen, für Veränderungen zu kämpfen. Von da an wird es für die andere Seite schwer, ihre Macht der Unterdrückung weiter auszuüben, denn für jeden Vogel, den du versuchst zu erschießen, werden zwei neue erscheinen. Es wird immer einen Vogel geben, der den Frühling ankündigt, denn die Natur hat diese Fähigkeit, zu widerstehen, sich zu entwickeln und weiter zu existieren.
Leider ein sehr aktuelles Thema.
Ja, sei es durch Kriege, Klimawandel oder durch die Ergebnisse von Wahlen, die wir auf der ganzen Welt verfolgen, wir leben mit Sicherheit in schwierigen Zeiten. Deshalb halte ich es für notwendig, uns an unsere Vergangenheit zu erinnern und vor allem daran zu erinnern, dass es immer einen Ausweg gibt. Ich möchte nicht nur eine Geschichte mit meiner Choreografie erzählen, sondern visuelle Symbole schaffen, die das Publikum ansprechen. Es sind Symbole, die häufig von totalitären Regimen verwendet wurden und werden. Und diese Regimes stützen sich meist auf die drei Säulen: Macht, Religion und Militär. Jede hängt von der anderen ab, um ihre Existenz zu legitimieren und dadurch Macht auszuüben. Deshalb habe ich in meiner Choreografie immer wieder die Symbolik der Dreifaltigkeit verwendet. Drei Farben, die vor allem von konservativen Regimen genutzt werden, drei Ebenen, drei Stühle.
Wie übersetzen sich all diese Ideen in die Bewegungen, die du schaffst?
Ich schaffe die Bewegungen nicht, es sind die Tänzer*innen, die mir Bewegungen vorschlagen und mich mit ihrem eigenen Bewegungspotenzial herausfordern. Das Individuum ist mir sehr wichtig, weil ich nicht finde, dass es gerecht ist, die Art und Weise, wie sich jemand ausdrücken soll, vorzugeben. Ich habe es als Tänzer gehasst, nicht so tanzen zu können, wie ich es wollte. Also habe ich während meiner Karriere als Choreograf eine Methode entwickelt, mit der ich in kurzer Zeit die Bewegungsmerkmale der Tänzer*innen, mit denen ich arbeite, aufnehmen kann, um dann aus derenIndividualität meine Choreografie zu erschaffen. Natürlich bringe ich ein Konzept und eine Idee mit, aber ich möchte, dass sie das in Bewegungen übersetzen. Das bedeutet eine persönliche Interpretation dessen, was ich zu sagen habe. Das ist entscheidend, damit jede*r Tänzer*in weiß, dass er oder sie für das Endergebnis unverzichtbar war. Und ich finde, dass gerade bei dieser Choreografie das besonders wichtig ist. Was mir an diesem Prozess am meisten gefällt, ist, dass die Tänzer oft plötzlich Ausdrucksformen entdecken, die ihr Talent und ihre körperliche Fähigkeit über das hinausführen, was sie sich jemals zugetraut hätten. Denn oft sind sie darauf fokussiert, das zu verbessern, was sie bereits gelernt haben. Vergessen dabei aber, neue Dinge zu lernen und neue Wege zu suchen. Diese Selbstentdeckung hat auch viel damit zu tun, die innere Stärke zu finden, die notwendig ist, um sich selbst und unsere Umgebung zu ändern.
